~Überrollt~

Puh. Ich fühle mich irgendwie immer noch so, als wäre ich von einem Güterzug überrollt worden, der mindestens fünfzig Waggons hinter sich her zieht. Alles geht gerade so schnell, das ist nichts für mich unspontanes Etwas.

Wenn ich mir überlege - normalerweise denke ich über eine Kündigung wochenlang, wenn nicht sogar monatelang nach. Grübel hin und her und her und hin, entscheide mich, entscheide mich noch mindestens vier mal um und mache am Ende doch irgendwas völlig anderes. Und jetzt? Noch nicht ganz zwei Wochen ist es her, dass N. mir von ihrem Angebot erzählt hat, ein paar Tage später kam erst die Idee, dass ich mitwandern könnte. Dienstag war ich dann in der bösen Stadt zum Hallo sagen, gestern war ich zum Unterschreiben des Arbeitsvertrages da. Jetzt muss ich nur noch die Kündigung für meine jetzige Firma fertig machen. Damit mache ich mir bekanntermaßen immer das Leben schwer - ich kann solche Dinge einfach schlecht schreiben. Außerdem kann ich ja schlecht in der Kündigung erwähnen, dass ich die Cheffin und ihr Mistkind für schlicht und ergreifend zu doof für alles halte.

Apropos Mistkind - das verlogene Stück ist momentan morgens immer bei Frau Irmgard .. und die sieht mittlerweile aus wie .. wie .. bäh. Ekelhaft. Stinkt sieben Meter gegen den Wind aus aus den Haaren könnte man wahrscheinlich ausreichend Fett für vier Imbissbuden auswringen. Aber Frau Irmgard ist ja angeblich so fürchterlich agressiv, dass man sie nicht mehr duschen kann. Komisch, mich hat sie heute Mittag mit Küsschen begrüßt begrüßen wollen (musste aufgrund des Geruchs allerdings ausweichen), war lammfromm und hat sogar ohne Diskussion ihr Mittag gegessen. Sehr seltsam. Aber angeblich hätte eine andere Kollegin Frau Irmgard in den letzten Wochen auch nicht geduscht. Klar, das stimmt sogar - besagte Kollegin war nämlich gar nicht dort. Und so geht die Lügerei und das sich - vor - der - Arbeit - drücken frühlich weiter. Cheffin hält weiterhin die Hand drauf .. ihr Töchterchen könne ja schließlich nicht an allem schuld sein. Komisch, dass Angehörige sich schon wieder im Büro und bei den jeweiligen Betreuern beschweren, dass das Mistkind einen eingewachsenen Zehnagel mitsamt Nagelbettentzündung übersehen hat. Achnee, halt. Sie hat das ja nicht übersehen, sie hat es nur nicht aufgeschrieben. Ich könnte wetten, dass sie nichtmal weiß, an welchem Zeh das Problem ist.

Aber was reg ich mich überhaupt auf. Nur noch zwei Tage quasi .. danach ist mir prinzipiell alles egal. Hoffe ich. Worunter ich allerdings jetzt schon leide, ist der "Abschied" von meinen Leuten .. gestern war schon ein doofer Tag, weil ich eine meiner "Lieblingsmädels" in die Kurzzeitpflege verlegen musste .. und ich weiß, dass wir uns wohl nicht mehr wiedersehen werden. Ja, da sind mir die Tränen gekommen .. und das werden mit Sicherheit nicht die einzigen vergossenen Tränchen sein. In den zwei Jahren sind mir so viele Leute so sehr an's Herz gewachsen .. irgendwie ist das schon schwer, am liebsten würde ich sie alle mitnehmen. Doof, dass man die Leute nicht abwerben kann bzw. dass viele der alten Leute quasi Angst haben, den Pflegedienst zu wechseln. Das sei zu schwierig. Ist es eigentlich nicht, aber trotzdem wollen die meisten von ihren gewohnten Diensten nicht weg. Wobei es nichtmal das gleiche Personal ist, was über die Jahre zu ihnen kommt. Und immerhin wären drei bis vier "gewohnte" Pflegekräfte auch beim anderen Pflegedienst ..

Naja. Wahrscheinlich wäre es auch zu fies, der Cheffin zusätzlich zu ihrem Personal auch noch ihre Patienten wegzunehmen. Sowas nennt man dann wahrscheinlich "kurz vor'm Ruin" oder so. Probleme wird sie eh bekommen, denn so schnell finden sich leider keine neuen Mitarbeiter. Einerseits meldet sich das schlechte Gewissen bei dem Punkt .. andererseits ist da das Stimmchen, das mir erklärt, dass die Cheffin ja noch ihre achsotolle Tochter hat, die den Laden bestimmt nicht schmeißen wird, weil sie viel zu faul ist. Ich bin ehrlich gesagt auf die Reaktion am Freitag gespannt. Sehr gespannt. Momentan kann man auch nicht so wirklich einschätzen, wie sie reagieren wird. Puh. Drama.